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Wirtschaftspolitisches Placebo auf Kosten der Verbraucher, Architekten und Ingenieure

Architektenkammer und Ingenieurkammer positionieren sich klar gegen die Einführung einer „eingeschränkten Bauvorlageberechtigung“ in MecklenburgVorpommern

Schwerin, 12. November 2024

Am Mittwoch, den 13.11.2024, wird im Landtag M-V in erster Lesung eine Novellierung der Landesbauordnung M-V diskutiert. Kernthema ist die beabsichtigte Einführung einer „eingeschränkten Bauvorlageberechtigung“ für Handwerksmeister und Techniker sowie für Bauingenieure ohne Berufserfahrung. Eine Berechtigung, die vom Landtag M-V zuletzt im Jahr 2015 aus guten Gründen abgelehnt wurde.

Die Einführung folgt keinem tatsächlichen Bedarf hier in M-V, sondern ist einzig und allein Bestandteil von auf Bundes- und Landesebene „in Hinterzimmern“ verabredeten politischen Pakten und Kompromissen. Die „eingeschränkte Bauvorlageberechtigung“ für das Handwerk wurde - purem Aktionismus folgend - im Jahr 2023 Bestandteil des sogenannten „Paktes für Planungs- und Baubeschleunigung“ des Bundes, welcher eigentlich den Bürokratieabbau befördern sollte. Das sorgte bei den Experten deutschlandweit für Kopfschütteln.

Christoph Meyn, Präsident der Architektenkammer M-V: „Die `eingeschränkte Bauvorlageberechtigung´ ist nichts weiter als ein Placebo – ein im Zweifel für die Politik folgenloses, wirtschaftspolitisches Geschenk an das Handwerk in Mecklenburg-Vorpommern. Solches politische Handeln, ohne jede kritische Reflexion der erheblichen Folgen für die Menschen vor Ort, untergräbt das Vertrauen in die positive Wirksamkeit des Staates weiter. Gegen diese politische Kultur wehren wir uns als fachlich und wirtschaftlich konkret Betroffene.“

Kein einziges behördliches Verfahren wird durch die Einführung dieser Berechtigung jedoch entfallen oder einfacher. Mecklenburg-Vorpommern hat bereits das weitestgehende deregulierte Baugenehmigungsverfahren. Der jetzt geplante Schritt stellt hingegen keine Deregulierung dar, da die Ressourcen des Systems zusätzlich belastet werden. Es gibt in Deutschland keine für das Bauordnungsrecht zuständige Fachbehörde, die ihrer Regierung eine Bauvorlageberechtigung für Handwerker und Techniker empfehlen würde. „Die durch Eintragungen und laufende Kontrollen zu prüfenden Berechtigungen würden zudem bei uns als zuständige Berufskammer neue, unnötige und kostenaufwändige Bürokratie in erheblichem Umfang erzeugen“, sagt Dr.-Ing. Gesa Haroske, Präsidentin der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern.

Bei der „eingeschränkten Bauvorlageberechtigung“ für Bauingenieure argumentiert das Land, es folge einer Kompromiss-Vereinbarung zwischen Bauministerkonferenz und EU-Kommission und diese sei zur Abwendung einer Klage der EU-Kommission zwingend umzusetzen. Dem widersprechen die Kammern mit Nachdruck. Die geplante Regelung greift deutlich zu weit. Pressemitteilung Gleichzeitig bedeuten beide Berechtigungen eine Gefahr für die Verbraucher. Die Bauvorlageberechtigung ist in Mecklenburg-Vorpommern bislang an eine Pflichtmitgliedschaft in einer deutschen Architekten- oder Ingenieurkammer oder an eine vergleichbare europäische Eintragung gebunden. Mindestens müssen dafür ein fachbezogenes Architektur- oder Bauingenieurstudium und aus gutem Grund eine mehrjährige Berufserfahrung sowie eine Berufshaftpflichtversicherung und laufende Fortbildungen nachgewiesen werden. Das Prinzip der geprüften Experten garantiert den Bauherren eine kompetente Planungsleistung und entlastet gleichzeitig die Behörden. Denn im Gegenzug kann bei vielen Bauvorhaben auf eine Prüfung der Bauvorlagen ganz verzichtet werden bzw. wird nur ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren durchgeführt. Dieses wichtige verbraucherschützende und gleichzeitig die Bürokratie entlastende Prinzip gerät hier erheblich in Gefahr bzw. wird komplett infrage gestellt.

Überdies wäre die Öffnung des Wettbewerbes für Planungsleistungen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen des Marktes ein fatales wirtschaftspolitisches Signal in die gesamte Planer-Branche. Im letzten Jahr ist die Anzahl der Baugenehmigungen in M-V erheblich eingebrochen – der private Wohnungsbau ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Viele kleine Planungsbüros kämpfen bereits ums Überleben. Dass Politik in dieser Situation den Marktzugang für neue und auch noch geringer qualifizierte Wettbewerber erleichtern will, ist nicht logisch.

„Überall in Deutschland wird auch in systemrelevanten Wirtschaftsbereichen dringend auf freie Handwerkerkapazitäten gewartet, und wir in Mecklenburg-Vorpommern wollen als Lösung anbieten, dass das Handwerk zusätzlich auch noch die Planung leisten soll? Das versteht doch keiner“, stellt Dr.-Ing. Gesa Haroske, Präsidentin der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern, das Ansinnen der Regierung in Frage. Kostenvorteile für die Verbraucher? Fehlanzeige! Christoph Meyn, Präsident der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern: „Natürlich würde kein Handwerker diese verantwortungsvolle Arbeit kostenlos einfach so mit erledigen können! Der Aufwand muss dann vom Handwerk eben in die sowieso schon hohen Baupreise mit einkalkuliert werden. Transparent für die Bauherren ist das jedenfalls nicht!“ Alle Architekten- und Ingenieurkammern Deutschlands haben sich daher ganz klar gegen die weitere Absenkung der Zugangsvoraussetzungen zur Bauvorlageberechtigung ausgesprochen.